Das Chemnitz des ausgehenden 19. Jahrhunderts war eine Wiege der Industrialisierung in Deutschland. So entstanden Großunternehmen von der Textilindustrie bis zum Lokomotivbau mit weltweiter Bedeutung. In der Folge entwickelte sich ein wohlhabendes Bürgertum, welches naturgemäß seinen Reichtum auch zur Schau stellen wollte. So entstanden neben prächtigen Fabrikantenvillen in Chemnitz selbst auch viele repräsentative Anwesen in der reizvollen Umgebung. Lichtenwalde war dabei ein bevorzugter Ort, verfügt er mit dem Schloss, dem gepflegten Barockgarten, dem Waldreichtum sowie der malerische Lage an einer Staustelle der Zschopau über alle Eigenschaften, die einen Ort lebenswert machen. Auch die „Villa Schweizerhaus“ ist ein Ergebnis dieser Entwicklung. Sie wurde 1895 durch den Chemnitzer Fabrikanten William Gulden als Sommerfrische im Schweizer Stil erbaut. Gulden war damals eine der markanten Persönlichkeiten des aufstrebenden Chemnitzer Industriebürgertums. Er hatte die Herstellung baumwollener und seidener gewirkter Handschuhe zur industriellen Reife geführt und galt weltweit als „King of Gloves“. Aber nicht nur die ausgefeilte Produktionstechnologie war Grundlage des Erfolgs. Gulden verfügte auch über das nötige Gespür für modische und künstlerische Entwicklungen, mit denen er den gehobenen Ansprüchen seiner weltweiten Kundschaft immer wieder gerecht wurde. Der unter dem Namen „Gulden-Handschuh“ weltweit berühmt gewordene Chemnitzer Handschuh verschaffte Gulden eine Spitzenposition, die für ein einzelnes Produkt damals eher ungewöhnlich war. So verwundert es auch nicht, dass er sich als Sommerfrische eine Villa im Schweizer Stil errichten ließ, was sicher auch seiner Extravaganz geschuldet war. Mit Beginn des 1. Weltkriegs wurde diese Entwicklung unterbrochen und erreichte auch später nie wieder die ursprüngliche Bedeutung. Man darf spekulieren, ob der beginnende Niedergang des Gulden-Geschäfts auch Ursache für den Verkauf der „Villa Schweizerhaus“ im Jahre 1914 war. Aber vieles spricht dafür.

Graf Gotthold Vitzthum von Eckstädt und Ehefreau Ida, Besitzer der Villa von 1914 – 1936

So ging die Villa 1914 in den Besitz von Carl Gotthold Graf Vitzthum von Eckstädt über, eines Sprosses des in Lichtenwalde über Jahrhunderte ansässigen Adelsgeschlechts, welches bis 1945 auch Besitzer des Barockschlosses Lichtenwalde war. Graf Carl Gotthold war bis zum Ende der sächsischen Monarchie 1918 Generalleutnant im Dienste des sächsischen Hofes. Er und seine Ehefrau Ida verstarben 1945 in Lichtenwalde. Das Grab befindet sich auf dem Lichtenwalder Friedhof. Damit endete eine über 200 Jahre andauernde Phase, in der die Fam. Vitzthum von Eckstädt die Region prägte und die in vielen Facetten bis heute nachwirkt.

In den 1990er Jahren von einem Chemnitzer Bauunternehmer solide saniert, erwarben die heutigen Eigentümer die Villa im Jahre 2013. Die auf dem Gelände stehende Remise, ursprünglich Pferdestall und Wohnung für die Kutscherfamilie, war zum Zeitpunkt des Erwerbs ein Sanierungsfall und wurde in der Folge dem Ambiente des Anwesens folgend liebevoll wiederhergestellt und damit auch dem Ort als prägende Ansicht wiedergegeben. Sie beherbergt heute die Firma des Besitzers (www.tudm.biz), die Hochleistungssegelflugmodelle für verschiedene Segelflugmodellflugklassen der FAI produziert und weltweit vertreibt. Man könnte sagen, dass sich damit der Bogen von den begehrten Gulden-Handschuhen bis zu den ebenfalls weltweit gefragten Segelflugmodellen spannt, mit denen die Modellflugsportler nicht weniger „gut angezogen“ sind…… Gerne führt sie der Eigentümer in die Geheimnisse dieses doch eher seltenen Gewerbes ein.